Wer kein Ziel hat, fährt ins Blaue! Schon allein die kecke Absicht sorgt für ein wunderbares Gefühl von Luftigkeit und Weite, Entspannung und fröhliche Unternehmungslust.
Ins Blaue… Die Farbpsychologie meint, die Farbe Blau habe einen positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden, wirke beruhigend auf das Auge und das Gemüt.
Mir schenkt die zauberhafte fünfte Jahreszeit ein paar herrlich sommersonnige, himmelblau getränkte Tage in der Heimatstadt meiner Enkelsöhne. Nach den übermäßig heißen Sommermonaten genieße ich das frische, blasse Porzellanblau am Morgen mit dem dampfenden Kaffeebecher in der Hand. Der schon fast azurblau gefärbte Mittagshimmel und die jetzt nicht mehr so steil stehende Sonne lassen gelöste Stunden im Freien zu, um noch einmal in vollen Zügen die bezaubernde Wirkung und die Schätze des „Altweibersommers“ zu genießen.
Die farbenfrohe Pracht der Spätsommerblumen in den Gärten bestaunen, glänzend braune Kastanien sammeln, ein leckeres Pilzrisotto für die Lieben zubereiten, erste orangerote Kürbisse, saftiges, reifes Obst und einige rundliche, violett-grün gefärbte Feigen vom Markt nach Hause tragen.
Strahlende, septemberblaue Tage mit Sonne und Wind, Schönheit und Köstlichkeiten, verführerischer Sinnlichkeit und würzigem Duft… Dieser für mich schönste Monat des Jahres bezaubert mit Charme und Gelassenheit, macht heiter, leicht und glücklich.
Die spätsommerlichen, golddurchwirkten, zauberblauen Schatten leiten die blaue Stunde sanft in einen nun spürbar früher beginnenden Abend über. Schnell den leichten Pullover überstreifen und mit dem kuscheligen Quilt über den Beinen ein Weilchen Zeit nehmen für ein gemütliches Mußestündchen im mild-frischen, dunstblauen Gleichklang zwischen Tag und Nacht.
Am nächsten Morgen taucht die Schönwetterfarbe das hübsche, oberschwäbische Städtchen noch einmal in alle Nuancen, die das himmlische Blau zu bieten hat. „Ich erquicke mich im Blau“, wie Goethe in einer Gedichtzeile sagt. Kristallblau klar ist die Luft, ich atme tief ein und plane einen ausgedehnten Bummel durch die reizvolle, lebendige Altstadt. Und eh ich‘s vergesse, das Stadtwappen Ravensburgs ist b l a u !
Das passt doch bestens – zur Stimmung, zum Himmel, zum Sonnenschein, zum wunderschönen Monat, zu mir und überhaupt….
Ravensburg, die Stadt der Türme und Tore…
Das schöne, fast vollständig erhaltene Stadtbild der einstigen mittelalterlichen Reichsstadt ist ein abwechslungsreiches Kulturerlebnis. Die großartige Kulisse der siebzehn Türme und Tore mit dem alles überragenden „Mehlsack“ ist ein Zeugnis früherer Jahrhunderte. Bei einem Aufstieg ermöglicht sich ein herrlicher Blick auf die bunte Dächerlandschaft der historischen Gebäude, das Gewirr der engen, verwinkelten Gässchen und auf das bunte, quirlige Getümmel des Ravensburger Wochenmarktes.
Die großartige Aussicht erstreckt sich über die sanften Hügel des Allgäus, den silbrig blau glitzernden Bodensee bis in die Ferne zu den saphirblau schimmernden Gipfeln der Alpen. Eine Landschaft, die „der liebe Gott am Sonntag gemacht hat“.
Im „Humpis-Quartier“, einem der besterhaltenen Wohnquartiere Süddeutschlands, erfahren die Besucher in den hervorragend restaurierten Museumsräumen eine spannende Zeitreise durch das Leben im Mittelalter. Hier wird Kulturgeschichte auch für Kinder authentisch und ihr Interesse weckend präsentiert. So lernen sie bei einer anschaulichen und lehrreichen Museumsaktion beispielsweise wie früher Papier erzeugt wurde. Ein damals sehr teures und hochwertiges Produkt, das in mühsamer, langwieriger Handarbeit hergestellt werden musste. Da sind die Jungs mit Spannung und Eifer dabei und nehmen stolz ein eigenes, geschöpftes Unikat mit nach Hause.
Zum Abschied gibt’s noch ein türkisblaues, letztes Sommereis – das mögen aber nur die Kinder! Ein leichter, nebelblauer Abendwind lässt mich ein wenig frösteln – kommt jetzt der Herbst?
Der September
Das ist ein Abschied mit Standarten
aus Pflaumenblau und Apfelgrün.
Goldlack und Astern flaggt der Garten,
und tausend Königskerzen glühn.
Das ist ein Abschied mit Posaunen,
mit Erntedank und Bauernball.
Kuhglocken läutend ziehn die braunen
und bunten Herden in den Stall.
Das ist ein Abschied mit Gerüchen
aus einer fast vergessnen Welt.
Mus und Gelee kocht in den Küchen.
Kartoffelfeuer qualmt im Feld.
Das ist ein Abschied mit Getümmel,
mit Huhn am Spieß und Bier im Krug.
Luftschaukeln möchten in den Himmel.
Doch sie sind wohl nicht fromm genug.
Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.
– Erich Kästner –
Ein leuchtend orangerotes Blatt weht vor meine Füße. Ich freue mich mit euch allen auf einen wundervollen, bunten Herbst. Der Sommer war groß…
eure Evelyn