Schöne, geliebte Schätze – My home is my castle

 

 

 

 

 

Frauen wohnen gern! Ich kenne keine Frau, der es gleichgültig ist, wie sie wohnt, wie ihr privates, intimes Umfeld gestaltet ist. Ob winzige Studentenbude, bescheidene Wohnung, großzügiges, schickes Loft oder gar ganzer Palast. Es fängt schon als kleines Mädchen an: „Mama, ich hätt‘ so gern ein Himmelbett und eine rosa Tapete, vielleicht auch bitte noch einen hübschen Spiegel….“

 

 

 

 

Ins Studentenwohnheim muss unbedingt die geliebte, bunte Tagesdecke fürs Bett mit und natürlich das Foto vom Freund und den besten Freundinnen. Der dicke, gemütliche Lieblingssessel aus dem Elternhaus, in dem man total lässig quer liegend, abhängen kann, schafft es sogar noch in die neue Beziehung – egal welchen Geschmack der Liebste hat. Dieses kuschelige, vertraute Wohlfühlmöbel ist ein unverzichtbarer Teil unserer Vergangenheit, einfach unseres Selbst, in dem wir stundenlang geschmökert, Musik gehört, gedöst, geträumt und aus Liebeskummer geweint haben. Ohne ihn geht nichts!

 

 

 

 

Die Fülle an Wohnzeitschriften für jeden Geschmack und die seit Jahren wachsende, schier unübersehbare Menge der Blogs im Netz zum Thema Wohnen beweisen es eindeutig: Wohnen ist ein Frauenthema! Natürlich gibt es auch hier und da einen Mann, der sein Umfeld gerne gestaltet – aber dann handelt es sich meistens um eine Profession in Architektur oder Design.

 

 

 

 

Ich zum Beispiel lebe seit Jahrzehnten mit Antiquitäten – vorzugsweise mit den eleganten, vorviktorianischen, englischen „Antiques“. (Das ich mittlerweile fast selbst schon eine bin, ist ein anderes Thema…)

 

 

 

 

Vor langer, langer Zeit habe ich mich nicht nur in den Mann, der mit diesen wunderbaren Dingen seinen Lebensunterhalt bestritt, verliebt, sondern auch in die feinen, ausnehmend schönen Möbel, die durch seine Hände gingen und die zu dieser Zeit in Merry Old Germany zunächst nur einen kleinen Kreis von Liebhabern hatten.

 

 

„I fell in love with them“!

 

 

Und zwar komplett!

 

 

Unsere neue Zweisamkeit wollte ich natürlich auch zuhause mit diesen exklusiven und edlen Möbeln schmücken. Das war nicht immer einfach durchzusetzen, denn viele der erlesenen Pretiosen dienten ja dem Verkauf und fanden mit der Zeit mehr und mehr begeistere Abnehmer und wahre Kenner und Sammler, die eine besondere Einstellung zum Leben und Wohnen favorisierten. Ihr Gespür und sensible Sachkenntnis waren für mich stets eine Quelle der Inspiration.

 

 

 

Mit Begeisterung und Geduld fand Frau daher Wege, das eine oder andere Möbelchen, in das sie sich verguckt hatte, ins private Heim wandern zu lassen.

 

 

 

 

Was für ein Glück! Bis heute begleiten mich etliche von ihnen in meinen unterschiedlichsten Lebenssituationen. Sie sind beständige, treue Weggefährten, die sich selbst bei Umzügen von ihrer besten Seite zeigen, da sie von genialen Möbelkonstrukteuren und Schreinern mit unvergleichlicher Sachkenntnis, handwerkliche Präzision und meisterhaftem Ideenreichtum gefertigt worden sind. Jedes von ihnen ein Unikat, das mit seiner langen Geschichte auch in unserer Zeit noch ein Garant für Beständigkeit und Wert, Verlässlichkeit und Ruhe ist.

 

 

 

 

Nicht in Billiglohnländern am Fließband schlecht zusammengezimmerte Massenware aus laminierten Pressspanplatten, einfallslos und langweilig, die den Globus überschwemmen und die das Prädikat „nachhaltig“ Lügen strafen, weil sie spätestens nach dem ersten Umzug reif für den Sperrmüll sind.

 

 

 

 

Wie vollkommen überlegen in jeder Hinsicht zeigen sich da doch die in der „goldenen Zeit“ des englischen Möbels entstandenen Prachtstücke von begabten Möbeldesignern und Architekten, wie z.B. die eines Thomas Chippendale, George Hepplewhite, Robert Adams oder des von mir favorisierten Thomas Sheraton. Er erreichte in seinen Entwürfen ein Höchstmaß an leichter Eleganz, kultiviertem Stil und Charakter.

 

 

 

 

Daher erfreut es mich noch jeden Tag, dass meine Schätze im wahrsten Sinne des Wortes aus diesem „anderem Holz“ sind und nicht den Stempel „Made im fernen Irgendwo“ tragen, der niemals ein Statement für Klasse und Noblesse sein kann.

 

 

 

Mit edlem, dunkel-kupferfarbenen, fein polierten Mahagoniholz oder sanft schimmernden, honigfarbenen Obstbaumholz präsentieren sie sich in ihrer würdevollen Schlichtheit, zeitlos elegant in einer Symbiose aus Grandezza und Gemütlichkeit. Schöne Antiquitäten sind wertvolle Geschenke aus der Vergangenheit und zeugen von der Kultur unserer Vorfahren und deren begabter Handwerkskunst.

 

 

 

 

Meines Erachtens adelt gerade eine englische Antiquität aus der Zeit des frühen 19. Jahrhunderts – der Regency Zeit – in ihrer vornehmen und dezenten Ausstrahlung jeden Raum und jede Einrichtung. Durch sie wird eine Wohnung zu einem ganz persönlichen und intimen Refugium. Souverän lächelnd vertragen sie sich mit zeitgenössischer Kunst – hier können oft spannungsvolle Kontraste entstehen – und nonchalant mit modernen Klassikern und heute bevorzugten, bequemen Polstermöbeln. Selbstsicher wissen sie um ihren Wert und lassen mit ihrer Aura von Nostalgie und Romantik auch mit gestandenen mehr als zweihundert! Jährchen immer noch ihren distinguierten, „angeborenen“ Charme spielen.

 

 

 

 

Und? Wie steht es um ihren Wert? – Heute hört man oft: „Antiquitäten sind nichts mehr wert“! So ein Blödsinn! Was für ein abqualifizierendes Pauschalurteil! Wie definiert sich der Begriff „Wert“, „Marktwert“ überhaupt?

Ob englisches Pfund, amerikanischer Dollar, die Deutsche Mark oder der vielgerühmte Euro – wer bestimmt den Wert von Antiquitäten? Kunst überhaupt? Natürlich der Markt mit seinen Gesetzen von Angebot und Nachfrage.

 

 

 

 

Na, wenn schon! Für mich haben sie eh einen unbezahlbaren Wert – den ideellen Wert! Stecken sie doch voller Erinnerungen und Geheimnisse. Man stelle sich nur einmal vor, was sie über die Jahrzehnte/Jahrhunderte alles gesehen, gehört und erlebt haben. Welche Moden und Zeiten in Krieg und Frieden sie überdauert haben. In welchen Wohnungen, Häusern oder Schlössern sie beheimatet waren. Welchen Inhalt sie sorgsam gespeichert, bewahrt und bewacht haben. Wen haben sie lachen, singen, flüstern oder gar weinen gehört? Wer hat sie liebevoll gepflegt? Wer hat was in ihren raffiniert konstruierten Geheimfächern aufbewahrt?

 

 

 

 

Kleine, intelligent angelegte Verstecke unter doppelten Schrankböden oder hinter hübsch verzierten Schiebetürchen – prall gefüllt mit klingender Münze, wertvollem Geschmeide, ehrwürdigen Dokumenten, verträumten Tagebüchern und natürlich den romantischen „Love Letters“, Liebesbriefchen vom Herzensmann oder der gerade aktuellen Herzensdame!

 

 

 

 

Wer will jetzt noch etwas zum Wert sagen? Sie sind ein Schatz – für mich einfach unbezahlbar! In keiner Währung!

 

 

 

 

Gediegene Schätze sind es natürlich wert, gepflegt zu werden. Eines meiner Lieblingsrituale ist es, ihrer stilvollen Patina mit wohlriechenden Ölen und Wachsen zu Leibe zu rücken. Der Glanz ihres edlen Holzes mit den grazil eingearbeiteten Intarsien wird mit weichen Baumwolltüchern zum Strahlen gebracht und die fein ziselierten Messingbeschläge lächeln goldig mit mir um die Wette! Zur Belohnung duftet die ganze Wohnung nach meinem „schönsten Parfüm“!

 

 

 

 

Wenn ich sehr gut gelaunt bin, bekommen meine „alten Knaben“ – das ehrwürdige Gentleman’s Wardrobe und der immer noch knackige Tallboy, diese hervorragende, hohe Herrenkommode mit ihren vielen Schubladen und nicht zu vergessen, das genial praktische Butler’s Tray (für den vornehm servierten Early Morning Tea) – noch ein extra Schlückchen aus einer Mischung von Olivenöl und Rotwein im Verhältnis 4:1! Das wird ihnen sanft einmassiert (psst… mit weichen, alten Wollsocken) und sie genießen es stillvergnügt! Ja, ja, Frau weiß eben, dass Rotwein für alte Knaben, eine von den besten Gaben ist!

 

 

 

 

Trotz ihres hohen Alters sind sie jetzt wieder eine Augenweide und ich bin nach wie vor sehr stolz auf sie.

 

 

 

 

Und so geht der November, ein grauer, stiller und trüber Monat, der die Laune – oftmals sehr in „Moll“ gestimmt – sich selbst überlässt, dahin. Er birgt viel Zeit für derlei Tätigkeiten, die uns schon einstimmen können, auf eine neue, gute, von Kerzenlicht erhellte Zeit und den dann strahlenden Glanz in unserer Hütte!

 

 

 

 

So, meine Lieben, jetzt dürft ihr es euch auch mit einem Gläschen Rotwein in eurem Lieblingssessel bequem machen! Wir können dann ein wenig darüber philosophieren, ob die Wohnung ein Spiegel der Seele ist – oder ihr zeigt mir mal, wie ihr wohnt. Nach ein, zwei Gläschen vom guten Roten kann ich dann mit müheloser Leichtigkeit ein wenig Orakel spielen und euch sagen, wer ihr seid…. Denn hat doch bereits Antoine de Saint-Exupéry gewusst:

 

„Nur im Wohnen kann der Mensch zur Erfüllung seines wahren Wesens gelangen.“

 

 

 

 

Für heute alles Liebe und viel Vorfreude auf eine schöne Adventszeit

eure Evelyn

 

 

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