Altweibersommer im Münsterland – der Geschichte zweiter Teil

 

Altweibersommer

Die Weiber packen ihre Sommersachen
Noch einmal aus.
Auf der Bank vor dem Haus
Und am Rand der Allee
Sieht man sie sitzen und stricken und
lachen.
Nun tut die Sonne nimmer weh.
Eine sagt vor sich hin: ich seh‘
Silberne Fäden inmitten des Blaus –
Während die Buben die Schnur an dem Drachen
Immer länger und länger machen.

– Albrecht Goes –

 

Wunderbar, meine liebste Jahreszeit steht vor der Tür. Die heißen Hochsommertage lösen sich in den spätsommerlichen, malvenblauen Schatten des Augustlichtes auf. Diese feine, sanfte Farbpalette schenkt Ruhe und Gelassenheit und zaubert weiche Konturen ins leicht gebräunte Gesicht.

 

 

Fein! Beste Voraussetzungen also für ein fröhlich-entspanntes Kaffeekränzchen mit den lustigen „alten und uralten Weibern“ des Münsterlandes!
Die Sonne „tut nun nimmer weh“, der spätsommerliche Garten der besten Freundin erstrahlt noch einmal in temperamentvoller Farbenpracht und die hübsch gedeckte Kaffeetafel ist eröffnet.



In gepflegter münsterländischer Tradition lässt es sich keine der eingeladenen Evas nehmen, eine eigene leckere Kreation fürs gemütliche Schnacken, Lachen und Klönen mitzubringen.
Und wie könnte es anders sein? Aufgrund der paradiesischen Fülle in den Apfelgärten haben sich alle eine Köstlichkeit mit „Apfel“ auserkoren. Unser aller Urmutter wäre wohl vor Neid erblasst – im Garten Eden des Münsterlandes gibt es eben keinen verbotenen Baum! Nee, dat wär ja noch schöner…(psst, das würde bestimmt auch dem armen, alten Adam nicht gefallen!)


 

Als vornehmer, adliger Gast gibt sich eine münsterländische Berühmtheit die seltene Ehre, unsere Kaffeetafel zu schmücken. Das Freifräulein Annette von Droste-Hülshoff hat noch einmal die Nebel der Vergangenheit gelüftet und kredenzt uns ein elegantes, spätsommerliches Apfeldessert. Festlich-fein im weißen Spitzenkragen bieten beide einen besonders hübschen Anblick.

 

 

Verschleiertes Bauernmädchen

2 kg Äpfel
¼ l Wasser
2 El Zitronensaft
100 g Zucker
1 El Butter
2 El Mandelblättchen
100 g Vollkornhaferflocken
2 El geschälte Sonnenblumenkerne
1 Messerspitze Zimt
2 Becher Sahne à 200 g
(Zutaten für 8 Personen)

 

 

Äpfel schälen, in kleine Stücke schneiden, mit dem Wasser zum Kochen bringen und dünsten, bis sie beim Umrühren zu Apfelmus zerfallen.
Apfelmus mit Zitronensaft und 3 El Zucker abschmecken, abkühlen lassen.
Butter erhitzen, den restlichen Zucker, Mandeln, Haferflocken, Sonnenblumenkerne zufügen. Unter Rühren krokantartig bräunen lassen. Zimt untermischen.
Den Krokant aus der Pfanne auf einen Teller schütten und erkalten lassen.
Vor dem Servieren in einer hübschen Glasschüssel oder Dessertgläsern Apfelmus, steifgeschlagene Sahne und Krokant dekorativ schichten.

 

Zu unser aller Freude (und weil sie wohl nicht in Vergessenheit geraten möchte) trägt uns das vornehme Fräulein mit zarter Stimme eines ihrer Lieblingsgedichte vor.

 

 

Herbst


Wenn ich an einem schönen Tag
Der Mittagsstunde habe acht,
Und lehne unter meinem Baum
So mitten in der Trauben Pracht:

Wenn die Zeitlose übers Tal
Den amethystnen Teppich webt,
Auf dem der letzte Schmetterling
So schillernd wie der frühste bebt:

 Dann denk‘ ich wenig drüber nach,
Wies’s nun verkümmert Tag für Tag,
Und kann mit halbverschloßnem Blick
Vom Lenze träumen und vom Glück.

– Annette von Droste-Hülshoff –

 

 

Leuchtendes Blau am Himmel, golden flimmert die Luft und ein feiner Hauch von Kostbarkeit weht über die „Tässkes“.

 

 

Wir lassen Annettchen in Ruhe weiterträumen und freuen uns auf die Ankunft der nächsten Kaffeetafel-Eva…. Ein appetitlich köstlicher Duft kündigt sie an, der uns das Wasser im Munde zusammen laufen lässt.
Barbara, eine münsterländische Landlady im feinsten Sinne, bringt ihren weit über das Münsterland hinaus bekannten Apfelkuchen mit. Und dies ist nicht irgendein landläufiger Apfelkuchen, nein – es ist  d e r  Apfelkuchen „Haus Klute“!

 


Für diesen Apfelkuchen-Traum sind Heerscharen ins Münsterland gepilgert, oder haben mit der „Leeze“ den beliebten sonntäglichen Ausflug ins „Pättkesland“ gestaltet.
Und war man bei „Klute“ gelandet, wurde münsterländische Gastlichkeit pur mit allen Sinnen erlebbar. An den Wochenenden musste schon das Glück mitspielen, um im meist rappelvollen Bauerncafé noch einen Sitzplatz zu ergattern.

 


Wir „klönen“ noch ein Weilchen etwas wehmütig von den alten Zeiten – über das geschmackvolle, stilsicher mit Antiquitäten eingerichtete Café und die Teestube, die feinsinnigen Lesungen und herrlich melodiösen Klavierabende, die die Hausherrin selbst gestaltete. Eine erquickende Oase im „Pättkesland“, die es leider so nicht mehr gibt.
Ach ja, lang, lang ist’s her – es war so schöööön!

Aber  i h n  haben wir ja noch – und für jede Kaffeetafel ist er eine deliziöse, sommerduftende „Apfelsünde“, die uns ein Häppchen vom Paradies auf Erden schmecken lässt.

 

Apfelkuchen „Haus Klute“

 


Für den Apfelkuchen „Haus Klute“ hat das Netz einige Rezepte zu bieten. Besonders verweisen möchte ich auf das Rezept aus der Zeitschrift „essen&trinken“ von 9/89. (Ja, ich weiß, das ist schon ein Weilchen her, aber der Apfelkuchen „Haus Klute“ schmeckt zeitlos sensationell – vor allem mit einem dicken Klacks Sahne. Und für mich ist er mit einer leckeren Prise „schöne Erinnerung“ gewürzt.

Danke Barbara, für die vielen behaglichen und genussvollen Stunden bei dir.

 

„Dat Dicke unnen in’n Kaffeepott hät dat mehrste Geld kost’t.“

Da hätte Josefa kein Blatt vor den Mund genommen, wenn einer verschwenderisch mit den guten Gaben in Küche und Keller umgegangen wäre oder gar das Geld auf den „Kopp gekloppt“ hätte. Aber geizig, nein geizig war sie nie. Nur auf den anständigen Umgang mit Korinthenbrot, Bauernstuten, Pumpernickel und Schinken oder den „Kaffeeplätzkes“ wurde geachtet. Es durfte nix wegkommen. Die schweren, vom Krieg geschüttelten Zeiten waren nicht vergessen, in denen sie dafür gesorgt hatte, dass Haus, Hof und Brennerei Niehues lange und für die nächste Generation zusammengehalten wurden.

 


Josefa, meine bodenständige Schwiegermama mit dem Herz auf’m rechten Fleck – hier sei ihr ein kleines, herzliches Denkmal gesetzt. Und wenn gefeiert wurde, dann aber richtig, dann kam die gute Art des besseren Lebens auf den Tisch mit einer Geselligkeit ohne Getue und „Gedöhns“, aber auf frisch gemangeltem Leinen. Dann durfte es auch schon mal ein „Pinneken“ mehr sein. „Prost sagen und laupen laoten“ und der westfälische Himmel hing voller glänzender Schinken und „drögen Endkes“.
Der sonntägliche Besuch wurde spendabel mit „Westfälischer Appeltate“ beglückt. Neben Streuselkuchen – auf geräumigen Tellern aufgetürmt – durfte sie auf keiner gut bürgerlichen Kaffeetafel im Münsterland fehlen.

 

Westfälische Appeltate

500 g Mehl
40 g Hefe
¼ l Milch (lauwarm)
1 Prise Salz
80 g Butter
60 g Zucker
Für die Füllung:
2 kg Äpfel
60 g Zucker
2 Päckchen Vanille-Zucker
80 g Rosinen
50 g gehackte Nüsse
Zimt
Paniermehl

 

 

Aus den Teigzutaten einen Hefeteig herstellen (am Ende des Blogtextes ein Grundrezept für Hefeteig)
Nach dem Aufgehen wird 2/3 des Teiges auf einem mit Backpapier ausgelegten Backblech ausgerollt. Der Rand wird hochgedrückt und der Teig ganz dünn mit Paniermehl bestreut.
Die geschälten und in dünne Scheiben geschnittenen Äpfel mit den Nüssen, Rosinen, Zucker und Zimt vermischen und auf dem Teig verteilen.
Der Teigrest wird dünn ausgerollt und über die Füllung gelegt, an den Seiten gut angedrückt.
Bei 200 Grad Ober- und Unterhitze wird der Kuchen ungefähr 30 Minuten gebacken.
Nach dem Backen die Appeltate mit Zuckerglasur bestreichen oder mit Puderzucker bestäuben.
Den Kuchen in handliche, quadratische Stücke schneiden und auf großen Tellern hübsch auftürmen.

 

Der große Kaffeepott geht noch mal rum und gießt ein Schlückchen Nostalgie mit aus dem letzten „Prütt“.

 


Die Schatten werden ein bisschen länger und die blaue Stunde geht langsam in die Dämmerung über. Ich lege Josefa leicht die Hand auf den Arm – sie war schon leicht eingenickt. Da sagt sie leise „ach Pöggsken….

 

Dat Pöggsken

Pöggsken sit in’n Sunnenschien;
huh, wat ist das Pöggsken fien
mit de gröne Bücks.
Pöggsken denkt an nix.
Kümp de witte Gausemann;
hät so raude Stiewweln an,
mäck en graut Gesnater.

Hu, wat fix
springt dat Pöggsken mit de Bücks,
mit de schöne gröne Bücks,
mit de Bücks in’t Water!


– Augustin Wibbelt –
(1862-1947)
(Pöggsken – kleiner Frosch / Gausemann – Gans)

 

Danke liebe Schwiegermama, bei dir verweilte es sich immer gut. Zum Abschied schenke ich dir einen feinen Malventee. Er ist wunderbar erfrischend und löscht den Durst an heißen Sommertagen.

Als Überraschung und kleines Dankschön habe ich für meine immergrünen Landladies, die den guten, gastfreundlichen Stil über die Zeiten bewahrt und gepflegt haben, ein aromatisch-schleckiges Nachthupferl vorbereitet. Am Abend mit einem kleinen „Apfelschnäpsken“ genossen, ist das ein sicheres Schlafmittelchen und schenkt heitere Träume.

 

Äpfel im Schlafrock

Hefeteig nach dem Grundrezept
8 mürbe Äpfel
2 Eigelb
Zucker

 

 

Wenn der Teig fertig ist, dünn ausrollen und in 8 viereckige Teigstücke teilen. Die Äpfel waschen und das Kerngehäuse herausbohren, je 1 Apfel auf ein vorbereitetes Teigstück legen.
Die Ränder des Teiges mit Eigelb bepinseln, den Apfel nach Gusto mit Zucker bestreuen.
Nun den Teig von den vier Ecken aus über den Apfel schlagen und komplett dünn mit Eigelb bestreichen.
Alle 8 Äpfel auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech setzen und bei 200 Grad Ober-Unterhitze ca. 20 Minuten backen.
Nach dem Backen mit Zuckerglasur bestreichen.

 

Ein besonders herzlicher Dank gilt noch der besten Freundin. Sie hat mit ihrer unkomplizierten, fröhlichen und geselligen Art mal wieder den Rahmen in ihrem wunderschönen, farbenfroh und kreativ gestalteten Gartenparadieschen geboten.

 


 

Es war – wie immer – ein heiterer, bunter und leckerer Genuß! Noch einmal in vollen Zügen genießen – und wie Frederick, der verträumte Mäuserich, die Farbenpracht des Spätsommers, das herzliche Geplauder und warmen Sonnenstrahlen als Erinnerung für die kalten, grauen Wintertage mitnehmen.

 

Macht’s gut Mädels, bleibt heiter, wir treffen uns wieder, eure Evelyn

 

 

 

Anm.: Die Rezepte für „Westfälische Appeltate“  und  „Äpfel im Schlafrock“ sind dem „Kochbuch aus dem Münsterland“, Hölker-Verlag  Münster, entnommen.

 

Grundrezept Hefeteig: 500 g Weizenmehl, 40 g Hefe, 1/4 l Milch – lauwarm – 1/2 Tl Salz, 60 g Butter, 40 g Zucker. Mehl, Salz und zerbröckelte Hefe in einer Schüssel mischen, 3 El lauwarme Milch zugeben, mit dem Zucker überstreuen. Butter schmelzen und ebenfalls zugeben. Alles zu einem weichen Tei verkneten. Anschließend auf einer bemehlten Arbeitsfläche den Teig nochmals 5 Minuten kneten, bis er glatt ist. Falls der Teig sehr klebrig ist, noch ca. 1 – 2 El Mehl unterkneten. Den Teig in eine eingefettete Schüssel legen, mit Küchentuch abdecken und an einem warmen Ort ca. 1 Stunde gehen lassen, bis er sich verdoppelt hat. Anschließend wie im jeweiligen Rezept angegeben weiterverarbeiten.

 

(Dieser Post enthält Produktempfehlungen und damit unbezahlte und unbeauftragte Werbung.)

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