Verwunschener Mittsommer – Der Garten meiner Seele

 


Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
– Joseph von Eichendorff –

 

 

GARTEN – GLÜCKSMOMENTE – GEDANKENSPLITTER – IMPRESSIONEN – TRÄUME – SEHNSUCHT – HEIMWEH – ABSCHIED

 

 

Mittsommerabend im Juli

 


Nach Tagen großer sommerlicher Hitze kündigt sich am Abend dumpf grollend ein Gewitter an. Ich habe Glück, aus bleigrauen Wolken regnet es nun seit über einer Stunde reichlich und sanft. Ich sitze geschützt unter dem Terrassendach, beobachte die feinen Regenschleier, höre der Tropfenmelodie zu und atme zusammen mit den Pflanzen des Gartens auf.
Danach genieße ich die wunderbar besänftigende Stille, die der Regen hinterlässt. Friedlich und weich, urmütterlich beschützend breitet sie sich aus und schenkt mir ein dankbares Glücksgefühl. Der intensive Honigduft des Geißblattes – „Honeysuckle“ wie es im Englischen so hübsch heißt, geleitet mich beruhigend durch die Nacht.

 

 

Mittsommer-Morgen

 

 

Nach dem gestrigen Regen ist die Luft wohltuend mild. Der seidenblaue Julihimmel ist mit zart hingetupften Schäfchenwolken bemalt. Saftig, satt und farbenfroh leuchten die Staudenbeete in ihrer überschwänglichen, sommerlichen Wonnepracht. Schneeweißer Phlox mit üppigen Blütendolden verführt die Nase mit seinem betörenden Duftbouquet, das sich gleichsam weich, süß und extravagant herb, jede Pore durchdringend, tief ins olfaktorische Gedächtnis einnistet – für mich Inbegriff des Garten-Hochsommer-Duftes. Die Rosenblüten noch etwas matt und schwer vom Regen ersehnen die belebende Wärme der Sonne, wollen eilig ihre duftigen Rüschen ordnen, um wieder in vornehmer Schönheit Hof halten zu können. Eine dralle Bauerhortensie schüttelt sich die letzten Tropfen von den sauber geputzten Blättern, rückt im knappen Mieder die blass violetten Blütenbälle zurecht, damit sie im feschen „Dirndl“ die Hübscheste beim Gartenball ist.

 

 

Majestätisch strahlend, im wundervollen, königsblauen Ornat seine anmutigen Hofdamen überschauend, hat der stolze, hochgewachsene Rittersporn schon ein Auge auf sie geworfen. Und zwei, drei wunderschöne Bartfäden mit weißen, rosé- und magentafarbenen Glockenblüten stehen erwartungsvoll Spalier.

 

 

Gartenteich-Zeit im Mittsommer

 


Dicke, wattige, olivgrüne Algenbärte haben sich auf der Wasseroberfläche breitgemacht. Mit dem langen Kescher schiebe ich sie zusammen, ziehe sie triefendnass aus dem Wasser und klatsche sie schwungvoll auf die Schubkarre, um sie am Kompost abzuladen. Eine schweißtreibende Plackerei. Nach der fünften Schubkarre sinke ich ermattet auf die Gartenbank und werde prompt belohnt mit dem zauberhaften Liebestanz eines elfengleichen, irisierend blaugrün, wie feine Jade schimmernden Libellenpärchens. Ihre hauchzarten Flügelchen schillern türkisgrün und azurblau, mit winzigen Blattgoldpünktchen bestäubt. Ein einzigartiges, farbenprächtiges Kaleidoskop. Ein fliegender Smaragd – edler als jedes Schmuckstück. In der Vereinigung ihres bizarren Paarungsrades schweben sie mühelos, akrobatischen Trapezkünstlern gleich, über ihr sommerliches Teichreich. Was für ein faszinierendes Naturwunder – ich kann mich nicht sattsehen! Azurjungfern heißen sie treffend! Ein hinreißendes Sommergeschenk – für immer bewahrt.

 

 

Mittsommer-Siesta

 


In der ansteigenden Mittagshitze ist nun Zeit für ein Päuschen. Dösend liege ich in der Hängematte unter dem sonnengold durchwirkten Blätterdom der Trauerweide. Ein leises Lüftchen säuselt durch die tief herabhängenden mattgelben, leise hin und her schwingenden, feinen Zweige. Mit ihren lanzettförmigen, glänzend frischgrünen, auf ihrer Unterseite fast hellblau-grün gefärbten, unzähligen Blättchen hüllen sie mich in meinem versteckten Kokon in ein flimmerndes Farbspiel. Eine traumhaft zartgesponnene Mittagsschlummerhöhle. Ein wohligeres und behaglicheres Entspannen in freier Natur kann ich mir kaum vorstellen. Kindliche Freude im Märchenreich!
Am Teichrand habe ich einige wunderschöne, unvergleichlich filigrane Blattgerippe von Pappel und Ahorn gefunden. Elegant und kostbar sehen sie aus, wie eine feine antike Stickerei oder edle Spitze. Auch für eine hauchzarte Tuschezeichnung könnten sie Modell stehen.

 

 

Versonnen hänge ich meinen Gedanken nach – so gesehen ist die Natur in jedem Stadium außergewöhnlich und oft hinreißend schön. Nicht nur die Zeit des Knospens und überbordenden Blühens bedarf der Bewunderung. Auch die Prozesse des Vergehens und Alterns gelingen einigen Pflanzen mit Anmut und Grandezza. So finde ich einzelne Rosen nach ihrer üppigen Hochblüte noch schöner, zart und fast etwas morbid mit feinen, edlen Farbnuancen, die an eine in Würde gealterte Antiquität mit dezenter Patina erinnern. Beneidenswert. Ich gelobe, sie mir zum Vorbild zu nehmen.
Mittsommer – Midlife – schön !

 

 

Nachmittag im Mittsommer

 

 

In der kleinen Zeit am See habe ich so viel Glück getankt, dass ich nun voller Energie meiner derzeitigen Lieblingsbeschäftigung im Garten nachgehen kann: Konturen freilegen! Der Steinplattenweg um die hintere Hälfte des Teiches ist nahezu komplett mit feuchtem Gras und glitschigem Moos überwachsen, so dass er bei Nässe rutschig und kaum mehr begehbar ist. Mit dem Kantentrimmer schnurre ich fröhlich eine ganze Weile an den Teichrändern entlang und folge der ursprünglich gedachten Spur. Das zart roséfarbene Band der Sommerwind-Rosen auf den Trockenmauern rund um den Teich begleitet mich mit erfrischendem Duft. Glitzernde Sonnentropfen hängen in den zarten Hälmchen des Lampenputzergrases, die dicken Polster des Blauschwingels lassen die sonnengelben Sumpfdotterblumen noch strahlender leuchten und der saphirblaue Sumpfstorchenschnabel flirtet schüchtern mit dem in feine, cremefarbene Seide gehüllten Zittergras. Da schaut die attraktive, zitronengelbe Sumpfschwertlilie fast ein wenig neidisch herüber, hat sie doch ihr feinstes Sommerkleidchen angelegt.

 

 

Ein verspätetes himmelblaues Vergissmeinnicht versucht zu trösten und meint, dass der elegante, duftige, silbrig-weiße Silberfahnenkavalier doch eigentlich viel besser zu ihr passt. Verzückt lausche ich zusammen mit den Hübschen am Teichrand dem summenden, brummenden Konzert des großen Orchesters der Teichmusiker. Farbenprächtige Libellen, hauchzarte Wasserläufer, pummelige, goldbraune Hummeln, Käfer in grün metallischen Rüstungen, surrende Mücken und honigsatte Bienen erfüllen die Luft mit ihrer graziösen Melodie. Auf einem großen Seerosenblatt wartet ein prächtiger Frosch geduldig bis Prinzessin Seerose im strahlend weißen Festkleid ihn erhört und zu ihrem Sommerprinzen macht.
Staunend stehe ich in diesem farben- und klangfrohen Mirakel und vergesse fast was ich hier tun wollte. Ach ja, Wege freilegen, vernachlässigte Konturen herstellen, neuen Spuren folgen. Ein Midlife-Thema? Gartenwege – Denkwege – Lebenswege! Morgen mach‘ ich weiter!

 

 

 

Blaue Mittsommer-Stunde

 


„In the afternoon they came into a land in which it seemed always afternoon“
– Alfred, Lord Tennyson –
from „The Lotos Eaters“

 

Wie schön wäre es, dieses Land zu finden. Der Spätnachmittag, auch meine Zeit – geadelt von der blauen Stunde. Ich liebe diese gelassene, ruhige Zeit des Tages. Die Konturen verlieren sich im weichen Licht, scharfe Kanten und harte Übergänge lösen sich auf, spätblaue Luft wiegt sanft die nun ihre Traumstunde beginnenden Blumen, Pflanzen und Tiere in den Schlaf. Eine wie mit feinem Pinsel gemalte, silberhelle Mondsichel erscheint im graublauen Dunst, bezaubernde Stille breitet sich aus. Und gerade jetzt, in dieser geheimnisvollen Stunde, wenn Gärtnerin und Garten zur Ruhe kommen, genießen dürfen, verströmen einige Blüten ihre verführerischsten Düfte. Süß schweben die Honigaromen des Geißblattes heran, der pikante, Gewürznelken ähnliche Duft der Nachtviolen und Levkojen belebt die Kopfnote dieses berauschenden Sommerabend-Parfums, exotische Nuancen des Ziertabaks bestimmen eindrucksvoll die faszinierenden Duftakzente der Herznote. Eine würdevolle Engelstrompete gepaart mit zierlichem Sternbalsam, Mandel-, Zimt-, und Vanille- Aromen versprühend, spielen ihre ureigene, leicht betäubende, fast orientalisch anmutende Melodie auf der Duftorgel.
Der Schutz der Dämmerung schenkt dieser Stunde ihren ganz besonderen Zauber. Störendes verflüchtig sich, Sorgen verwehen im Dunstschleier. Der Gesang der Vögel wird leise und sanft, eine letzte Amsel beschließt das wunderbare Konzert mit einer zärtlichen Klangwolke. Eingehüllt in wohlige Düfte hat Elfenkönig Oberon seinen Diener Puck mit der Zauberblume in der Hand ausgeschickt, sein nachtblaues Reich für Sommernachtsträume zu eröffnen.

 

Eine bittersüße Wehmut mischt sich in die unglaublich schöne Abendstimmung, aber ich bin gewiss – jenseits von Raum und Zeit bleibt die Erinnerung – in den Tiefen der Seele für immer fest verwurzelt.

 

Ägyptisches Gebet

„Gewähre, dass ich ein- und ausgehe
in meinem Garten,
dass ich mich kühle in seinem
Schatten,
dass ich Wasser trinke aus meinem
Teich jeden Tag,
dass ich lustwandle am Ufer meines
Teiches ohne Unterlass,
dass meine Seele sich niederlasse
auf Bäumen, die ich gepflanzt habe,
dass ich mich erquicke unter meinen
Sykomoren.“

 

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