Süsse Versuchung – Kirschen in Nachbars Garten

 

Barfuß laufe ich durch die hohen, jetzt schon strohgelben Grashalme. Für heute hat sich Besuch angesagt und ich will geschwind einen Kuchen backen.

Da bringt mir ein leichtes sommerliches Lüftchen den Duft der Kindheit zurück. Und augenblicklich sind sie da – die Erinnerungen aus unbeschwerten, sonnigen, Kirschkernspuckenden Kinder-Sommertagen. Was hat die Großmutter mit dem herrlich verwunschenen Garten immer gesagt? „Zwitschert im April der Star, gibt’s ein gutes Kirschenjahr!“

 

 

Sie lebte in ihrem Garten mit und nach den alten Bauernregeln – und lachte übers ganze Gesicht, wenn der Wettergott und die guten Geister des Gartens sich an die weisen Sprüchlein hielten.
Und heuer? Klimawandel, Bienensterben, Schädlingsbekämpfung mit Supergiftspritze… nichts darf mehr wachsen und gedeihen wie in Großmutters wohlbestellten, üppigen und gesunden Garten. Ich vermisse dieses Kindheitsparadies – mit Oma war wirklich „super gut Kirschen essen.“

 


Und Gedichte waren ihre helle Freude. Danke Oma, dass du mir diese Passion als bereicherndes Geschenk fürs Leben in die Wiege gelegt hast!

Eines ihrer liebsten war…

 

Sommer-Gesang

Geh aus mein Herz und suche Freud
In dieser lieben Sommerzeit
An deines Gottes Gaben:
Schau an der schönen Gärten Zier
Und siehe, wie sie mir und dir
Sich ausgeschmücket haben.

Die Bäume stehen voller Laub
Das Erdreich decket seinen Staub
Mit einem grünen Kleide
Narcissus und die Tulipan
Die ziehen sich viel schöner an
Als Salomonis Seyde.
– Paul Gerhardt –

 

Während vor meinem inneren Auge sehnsüchtig die Bilder der „schönen Garten Zier“, die sich für Großmutter und mich „ausgeschmücket haben“, vorbeiziehen – ein riesiger, alter, wunderbarer Kirschbaum mit prall-roten, saftig-süßen Früchten spielte in der Sommer-Saison immer eine Hauptrolle – fällt mir der besondere Schatz ein, den Großmutter mir hinterlassen hat. Ihr altes Rezept-Büchlein! Ich hüte es wie einen Augapfel und jeder Kuchen, den ich nach einem ihrer Rezepte backe, ist ein Erinnerungsgeschenk von ihr.

 


Was speichert das Gedächtnis am besten ab? Gerüche, Düfte… sie ziehen in meine Nase, umhüllen mich und ich bin wieder, acht, neun, zehn Jahre jung.

 

 

Die karminroten Herzkirschen waren Großmutters Lieblinge und heute habe ich nun die Qual der Wahl! Wer macht das
Rennen? Omas versenkter Sonntags-Kirschkuchen in der alten Springform, serviert mit frischer Schlagsahne und etwas Vanilleeis als i-Tüpfelchen? Oder der unwiderstehliche Kirsch-Schoko-Kuchen vom Backblech, der zum Schluss mit frech-grünen Pistazien bestreut wird? Vielleicht aber auch die saftige Kirsch-Mohn-Tarte mit appetitlichem Eierguss?
Alle sind sie eine Sünde wert! Bei Großmutter gab’s für die Großen noch ein frivoles Kirschwässerchen dazu, damit die süßen Sünden auch heiteren Bestand haben.

Was für ein Glück! Dieses Jahr ist ein Kirschenjahr, wie es lange keines mehr gab. Die Bäume in den Nachbargärten hängen überreich voll, die reif-süßen Früchte wachsen mir fast in den Mund. Die ganz lange Leiter brauche ich gar nicht – gott-sei-dank! Bin ja nicht mehr die Jüngste! Da hilft der galante Nachbar gerne…

 


Schnell ist der Eimer mit den sinnlich-saftigen, dicken, runden Kirschen voll. Der Star hat sich im April viel Mühe gegeben mit seinem fröhlichen Gezwitscher!

Für meine Gäste habe ich mich für ein saftiges Kirsch-Clafoutis entschieden, das ist jetzt mal rasch und unkompliziert zuzubereiten. Die kleinen und großen Naschkätzchen verwöhne ich mit einer besonders zarten Schmeichelei – einem fluffigen Kirsch-Mandel-Gratin. Ein bisschen Luxus muss schon sein…

 


Natürlich! Daher flugs das feine neue „Seyden-Sommerblüschen“ überwerfen, das die Lippenstiftfarbe der Saison „cherry-red“ so harmonisch unterstreicht!

An der gemütlichen Kaffeetafel erzähle ich meinen Gästen, was die Großmutter, die eine belesene Gärtnerin war, über die symbolische Bedeutung der Kirsche wusste: „Die Kirsche ist das Pflanzensymbol für heitere Erotik, weibliche und geistige Schönheit und für den Segen des Paradieses.“
Wer wollte da widersprechen? Kleiden sich die leckeren Früchte während ihrer Blüte doch zunächst in unschuldiges Weiß, um sich dann nach wenigen Wochen in der verführerischen Farbe der Liebe zu präsentieren. Oh là là – Großmama!

 

 

Ein gescheiter, charmanter Gast meiner Kaffeerunde unterhält uns noch ein wenig mit der Herkunft der Köstlichen. Er berichtet, dass kein Geringerer als der römische Feldherr Lucullus von einem seiner Beutezüge nach Kleinasien diese wundervolle Eroberung mitgebracht hat. Und das bereits im Jahre 74 v. Chr.! Da hat uns der sinnliche Genießer aber einen großen Gefallen getan und ist daher auch fast 2000 Jahre später noch immer in aller Munde!

So – jetzt aber noch schnell ein großes Stückchen vom leckeren Clafoutis als Dankeschön zum netten Nachbarn bringen. Bis bald ihr Lieben alle, genießt den Sommer und bleibt heiter, eure Evelyn

 

 

 

PS:
Diesen Text habe ich für mein “jüngstes Töchterlein“ geschrieben, das mir so großartig bei der Blog-Umsetzung, der Bildbearbeitung, den Fotocollagen, mit vielen, vielen kreativen Ideen und inspirierendem Input zur Seite steht: www.julefine.de
Merci chérie! Morgen bringe ich dir auch ein leckeres, watteweiches Kirsch-Mandel-Gratin nach Großmutter Art mit.

 

 

Rezept
Kirsch-Mandel-Gratin

600 g dunkle, reife Kirschen
6 cl Kirschwasser
100 g Zucker
3 Eier
250 g Sahnequark
150 g Crème fraîche
2 El Speisestärke
100 g gemahlene Mandeln
100 g gehackte oder geblätterte Mandeln
Etwas Butter für die Form

 

 

Kirschen waschen und entsteinen, in einer Schüssel mit dem Kirschwasser vermischen.
Eier und Zucker schaumig schlagen
Sahnequark und Crème fraîche eßlöffelweise dazugeben.
Speisestärke und gemahlenen Mandeln sowie die Hälfte der gehackten/geblätterten Mandeln unterrühren.
Gratinform einfetten und die Kirschen darin verteilen.
Die restlichen gehackten/geblätterten Mandeln über die Kirschen streuen.
Kirschen mit der Quark-Mandelmasse bedecken.
Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad Ober-Unterhitze ca. 30 Minuten gratinieren.

 

 

Rezept
Kirsch-Clafoutis

125 g Mehl
3 Eier
1Prise Salz
50 g Puderzucker
200 ml Milch
100 g Crème fraîche
500 g Kirschen, entsteint
1 Tl Puderzucker

 

 

Kirschen waschen und entsteinen

Alle o.a. Zutaten (bis auf die Kirschen) verrühren und 15 Min. quellen lassen.
Die Hälfte des Teiges in eine ausgebutterte Tarteform (28 cm Durchmesser) füllen.
Die Kirschen darauf verteilen und den restlichen Teig darüber geben.
Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad Ober-Unterhitze ca. 45 Min. backen.
Evtl. abschließend noch mit etwas Puderzucker bestreuen.
Für etwa 6 Portionen

 

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